Fremdkapital war lange Zeit nicht gerade der Liebling der Startup-Branche. Viele junge Unternehmen bevorzugten Eigenkapital. Aber: Das ändert sich langsam. Und dennoch gibt es viele Mythen über den Umgang und die Funktion von Fremdkapital. Wir klären die drei wichtigsten auf.
In der Startup-Welt hatte Fremdkapital lange keinen besonders guten Ruf. Große VC-Runden mit Risikokapital waren beliebt und erzeugten viel mediale Aufmerksamkeit. Nullzinsen und Digital-Euphorie, Venture-Capital-Fonds im Rausch, Gründer:innen mit großen Ambitionen – Finanzierungen für Startups mit Risikokapital wurden durch Corona nochmal beschleunigt.
Eigenkapital war "günstig" zu haben. Für europäische Verhältnisse schnellten die Bewertungen in ungeahnte Höhen. Fremdkapital nahmen vermeintlich nur die Startups auf, die keinen VC von sich überzeugen konnten.
Mittlerweile durchläuft die Startup-Branche eine schwierige Phase. Das liegt nicht nur am eingebrochenen Funding-Volumen in Sachen Venture Capital – im Vergleich zu 2020 und 2021 gingen die Funding-Summen in den zurückliegenden 18 Monaten deutlich zurück. Es liegt auch an der Neubewertung finanzieller Metriken. Wo es früher nur um Wachstum, Wachstum, Wachstum ging, steht heute profitables Wachstum und Kosteneffizienz ganz oben auf der Prioritätenliste.
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Funding-Summe berechnenFremdkapital rückt in den Fokus
Alle diese Entwicklungen haben bei Startups zu einer Neubewertung ihrer Finanzierungsinstrumente geführt. Fremdkapital als Ergänzung zu Eigenkapital gewinnt immer mehr an Bedeutung bei der Unternehmensfinanzierung.
Fremdkapital beschreibt – vereinfacht gesagt – die Schulden eines Unternehmens gegenüber Gläubiger:innen. Dazu gehören Verbindlichkeiten und Rückstellungen. Im Gegensatz zu Eigenkapital muss Fremdkapital zurückgezahlt werden. Fremdkapitalgeber:innen sind nicht am Gewinn oder Verlust eines Unternehmens beteiligt. Sie erhalten im Gegenzug für ihre Investition eine Verzinsung über einen festgelegten Zeitraum.
Bei re:cap sprechen wir mit hunderten Unternehmen über ihre Finanzierung mit Fremdkapital. Aus diesen Gesprächen wissen wir, dass es immer noch viele Mythen rund um Fremdkapital gibt, vor allem im Vergleich mit Eigenkapital. Hier sind die drei, die am häufigsten auftauchen.
1. Mythos: Fremdkapital verursacht Kosten, Eigenkapital nicht
Eigenkapital verursacht keine Kosten? Fremdkapital hingegen hohe Kosten? Das ist falsch – und dennoch gehen viele Gründer:innen genau davon aus. Kapital verursacht Kosten, egal in welcher Form. Die Kapitalkosten treten nur unterschiedlich auf.
Die Kosten von Fremdkapital sind transparent und vorab bekannt. Bei einem Kredit für ihr Startup wissen die Gründer:innen sofort, mit welchen Zinsen sie in der Rückzahlungsphase rechnen müssen. Sie sind vertraglich festgehalten. Startups können ihre Kosten besser planen, etwa wie hoch die Belastung ihres Cashflows durch monatliche Rückzahlungen ist.
Direkte und indirekte Kosten unterscheiden
Beim Eigenkapital sind die Kosten zunächst nicht sichtbar. Durch den Verkauf von Anteilen zu einer bestimmten Bewertung liegen die “wahren” Kapitalkosten in der Zukunft – nämlich bis zum Zeitpunkt des Exits.
Dann kann es zu Überraschungen kommen, wenn Gründer:innen zuvor schon große Stücke des Kuchens an Investor:innen abgetreten haben. Anders als beim Fremdkapital fallen die Kosten nicht sofort an. Sie sind aber in den meisten Fällen wesentlich höher.
Hinzu kommt, dass Startups Kontrolle und damit Entscheidungsgewalt an Externe abgeben. Das ist ebenfalls ein Kostenfaktor, den viele Gründer:innen unterschätzen.
2. Mythos: Fremdkapital ist kompliziert, Eigenkapital ist einfach
Die Aufnahme von Eigenkapital ist für Gründer:innen oft einfacher. Sie sprechen mit Investor:innen und pitchen ihr Geschäft. Sie geben Unternehmensanteile ab und erhalten Eigenkapital. Das Geld geht auf das Bankkonto ein. Dort verbleibt es und verursacht keine Kosten durch anfallende Zinsen.
Beim Eigenkapital sind die Gründer:innen bei der Mittelverwendung freier. Es steht ihnen für alle Maßnahmen und Projekte zur Verfügung und muss nicht kapitaleffizient eingesetzt werden. Startups können es nutzen, um ihr Wachstum anzukurbeln oder neue Produkte zu entwickeln.
Die verschiedenen Mechanismen verstehen
Mit Fremdkapital ist das anders. Wer nur an Eigenkapital gewöhnt ist, für den kann Fremdkapital im ersten Moment kompliziert sein. Fremdkapital kann nicht einfach auf dem Konto verbleiben. Unternehmen müssen damit arbeiten. Sitzt es tatenlos auf dem Konto, verursacht es unnötige Kapitalkosten und schafft keinen Wert.
Die Aufnahme von Fremdkapital erfordert Struktur und Planung. Investitionen mit einem eher vorhersagbaren ROI kommen dafür in Frage, etwa Markterweiterungen, M&A oder Marketing-Kampagnen.
Das führt dazu, dass Gründer:innen sich vorab mit ihrer Finanzplanung auseinandersetzen müssen. Sie analysieren ihre Finanzen und die Verwendung des Kapitals genauer, als es bei Eigenkapital der Fall ist auch hier ist Kapitaleffizienz mittlerweile ein wichtiger Faktor). Dabei handelt es sich aber um Fähigkeiten, die unabhängig von der nächsten Finanzierungsrunde wertvoll sind.
Fremdkapital ist deshalb aber nicht komplizierter als Eigenkapital. Die Herangehensweise ist eine andere. Nur sind daran viele Gründer:innen und Startups noch nicht gewohnt.
3. Mythos: Eine Möglichst hohe Summe ist das wichtigste bei (Fremdkapital-)Finanzierungen
Brauchen Startups wirklich die größtmögliche Summe an Kapital? Viele Gründer:innen wollen eine große Summe an Fremdkapital einsammeln. Das hat natürlich seine Gründe. Sie müssen sich vorerst nicht mehr mit dem "lästigen" Thema Finanzierung auseinandersetzen, sondern haben für einen gewissen Zeitraum ausreichend Cash Runway.
Doch diese Herangehensweise ist in den wenigsten Fällen clever. Das Problem: Startups, die bisher nur an Eigenkapital und seine Mechanismen gewöhnt sind, wenden die gleichen Mechanismen auch beim Fremdkapital an.
Doch das funktioniert aufgrund der anfallenden Kosten nicht. Wer große Summen einsammelt, hat auch hohe Kapitalkosten. Beim Fremdkapital kommen die Kosten in Form der Zinsen zeitnah zum Tragen und müssen zurückgezahlt werden. Und je höher die eingesammelte Summe, desto höher die Rückzahlungen.
Schlechte Idee: mehr Kapital aufnehmen als nötig
Beim Eigenkapital ist es komplizierter. Wer mehr Kapital zur gleichen Bewertung aufnimmt, als er braucht, der verkauft mehr Anteile seines Unternehmens und hat dadurch höhere Kosten. Nehmen Startup hingegen mehr Kapital zu einer höheren Bewertung auf, dann kann es in einer späteren Phase zu Problemen kommen, wenn die eingangs definierte Unternehmensbewertung noch nicht erreicht wurde.
Eine große Summe auf dem Konto gibt Gründer:innen Sicherheit. Diese Sicherheit schwindet allerdings, wenn die Kosten zur Belastung werden (entweder sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt). Für Startups heißt das: Kapitelbedürfnisse kennen und nur die Summe aufnehmen, die sie tatsächlich investieren können.
Fazit: Fremdkapital an den Cap Table holen
Fremdkapital hatte lange den Makel von "zu kompliziert", "zu teuer" oder "nur für große Unternehmen relevant". Für manche Gründer:innen ist Fremdkapitalfinanzierung noch immer ein Fremdwort. Allerdings ändert sich die Wahrnehmung. Viele Startups erkennen nach und nach die Vorteile einer Fremdfinanzierung – trotz der Mythen, die es gibt.
Fremdkapital diversifiziert den Capital Stack. Es reduziert die Abhängigkeit von Venture Capital und ermöglicht, mehr Kontrolle über das eigene Unternehmen zu behalten. Es lässt sich für Investitionen nutzen, für die Eigenkapital weniger geeignet ist. Gründer:innen, die sich mit Fremdkapital beschäftigen, können dadurch ihre Wettbewerbsposition verbessern.
Denn wer auf Kosten achtet, profitabel wachsen und mittel- bis langfristig seinen Break-even schaffen will, der kommt kaum noch um Fremdkapital herum. VC-Finanzierungen sind schwieriger und Down Rounds häufiger geworden. Fremdkapital bietet hierzu eine Ergänzung. Damit kann etwa die Zeit bis zur nächsten Eigenkapitalfinanzierung überbrückt werden, um die eigene finanzielle Situation zu verbessern und seine Anteile weniger stark zu verwässern.
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