In Rechnungen gebundenes Kapital? Gibt es mit Factoring nicht mehr. Mit Factoring greifen Unternehmen auf Kapital zu, das ansonst aufgrund langer Zahlungsziele über Monate gebunden ist. In diesem Artikel erfährst du alles Wichtige zum Thema "Factoring".
Definition: Was ist Factoring?
Factoring ist eine alternative Finanzierungsform, bei der ein Unternehmen seine offenen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an einen Factoring-Anbieter, der auch Factor oder Factoring-Gesellschaft genannt wird. Der Factor zahlt die offene Rechnung an das Unternehmen aus. Das steigert die Liquidität des Unternehmens direkt und es entstehen keine Engpässe durch lange Zahlungsziele oder Hinauszögerung der Zahlung durch den Kunden. Der Factor erhält im Gegenzug eine Gebühr. Diese Gebühr wird von der ausstehenden Rechnungssumme abgezogen.
Üblicherweise schließt ein Unternehmen einen mehrjährigen Factoring-Vertrag mit einem Factor-Institut. Darin enthalten sind nicht nur Inlands- sondern auch Auslandsforderungen des Unternehmens.
Gebundenes Kapital wird frei
So sorgt Factoring dafür, dass gebundenes Kapital frei wird. Unternehmen müssen dadurch nicht mehr Wochen oder Monate auf ihr Geld warten. Dadurch werden ausstehende Rechnungen direkt in Kapital verwandelt und wirken sich positiv auf den Cashflow aus. Eine Factoring-Finanzierung wird deshalb auch kurzfristige Forderungsfinanzierung genannt.
Im Gegensatz zum Inkasso erfolgt die Abtretung durch das Unternehmen an die Factoring-Gesellschaft direkt nach Rechnungsstellung.
Factoring im Mittelstand beliebt
Factoring hat sich in den vergangenen Jahren insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) zu einer beliebten Finanzierungsalternative entwickelt.
Laut Factoring-Verband nutzen 2014 rund 19.000 Unternehmen in Deutschland Factoring zur Finanzierung. 2023 waren es bereits mehr als 106.000. Entsprechend hat sich der Umsatz der Factoring-Anbieter seit 2014 mehr als verdoppelt und lag 2023 bei knapp €380 Mrd.
Wie funktioniert Factoring?
Beim Factoring sind drei Parteien beteiligt: Unternehmen, Factor und Kund:innen des Unternehmens.
- Das Unternehmen, das seine offenen Rechnungen in Kapital umwandeln möchte.
- Der Factor, der die offenen Rechnungen kauft und dem Unternehmen dafür direkt Kapital zur Verfügung stellt.
- Kund:innen des Unternehmens (Schuldner/Debitor), die dem Unternehmen die Zahlungen für die ausstehenden Rechnungen schulden.
Üblicherweise liefert ein Unternehmen seine Ware an eine Kundin aus. Die Kundin bezahlt die Rechnung an das Unternehmen. Das passiert aber nicht sofort nach Wareneingang. Die Kundin kann etwa das Zahlungsziel (oftmals 60-90 Tage) voll ausreizen oder sogar überziehen. Dem Unternehmen fehlt das Geld aus der offenen Rechnung dadurch.
Bei vielen offenen Rechnungen und langen Zahlungszielen kann das zu einem Liquiditätsproblem werden. Hier kommt ein Factor ins Spiel. Der Prozess läuft dann wie folgt ab:
Wie sehen die einzelnen Schritte beim klassischen Factoring aus?
- Forderung entsteht: Das Unternehmen erbringt eine Leistung und überbringt diese an den Kunden. Dadurch entsteht eine Forderung, die abtretbar sein muss.
- Rechnungen einreichen: Das Unternehmen übermittelt seine Rechnungen dem Factor.
- Rechnungen und Schuldner:in prüfen: Das Factoring-Unternehmen prüft die Forderungen auf Rechtmäßigkeit. Außerdem prüft er den Schuldner hinsichtlich seiner Kreditwürdigkeit.
- Vorschuss auszahlen: Der Factor schießt dem Unternehmen einen bestimmten Prozentsatz der offenen Rechnung vor, in der Regel zwischen 70 und 90% des Gesamtbetrags. Dafür erhält er Zinsen.
- Forderung einziehen: Der Factor übernimmt das Inkasso beim Schuldner. Er trägt dafür die alleinige Verantwortung beim Zahlungsausfall.
- Abrechnung: Sobald der Schuldner den Factor bezahlt hat, wird der verbleibende Rechnungsbetrag abzüglich der Factor-Gebühr an das Unternehmen ausgezahlt.
Die Factoring-Kosten
Bei einer Factoring-Finanzierung erhält der Factor für seine Dienstleistung (Forderungsmanagement, Bonitätsprüfung, Übernahme des Ausfallrisikos) einen prozentualen Anteil an der gesamten Rechnungssumme. Sie richtet sich je nach Leistungsumfang, den er für das Unternehmen erbringt.
Hinzu kommen Zinsen für den Vorschuss und damit die bereitgestellte Liquidität. Wie sieht das bei einem konkreten Beispiel aus und welche Kapitalkosten kommen beim Factoring auf Unternehmen zu? Das können wir anhand eines konkreten Beispiels berechnen.
Beispielrechnung Factoring
Stellen wir uns folgende Ausgangslage vor: Ein Unternehmen hat ausstehende Forderungen in Höhe von €500.000. Um schnell liquide Mittel zu erhalten, nutzt es Factoring und tritt es seine Forderungen an einen Factor ab. Der Factor veranschlagt folgende Kosten: Factoring-Gebühren, Zinsen und Bonitätsprüfungskosten.
Damit stehen dem Unternehmen direkt €400.000 Kapital zur Verfügung. Diese Vorauszahlung durch den Factor erfolgt meist innerhalb von 24-48h. Das Unternehmen muss nicht mehrere Wochen oder Monate darauf warten. Es kann mit diesem Geld direkt wieder arbeiten und es reinvestieren.
Zu den Factoring-Kosten gehören also:
- Kosten für die Bonitätsprüfung
- Factoring-Gebühr
- Factoring-Zins
Die Höhe der Kosten hängt von verschiedenen individuellen Faktoren ab. Sie beeinflussen die Kosten negativ oder positiv. Dazu gehören das Unternehmensrating, die Bonitätsprüfung des Schuldners, dem Umsatz, die Höhe der Rechnung oder die Anzahl der Schuldner:innen. Schließlich sichert sich der Factor sein Risiko entsprechend den vorliegenden Gegebenheiten ab – ein höheres Risiko eines Zahlungsausfalls bedeutet auch höhere Kosten und vice versa.
Für welche Unternehmen eignet sich Factoring?
Ob Startup, KMU, Konzern oder Freiberufler: Factoring eignet sich, wenn ein Unternehmen seine Leistung bei Rechnungsstellung bereits vollständig erbracht hat. Zu den weiteren Faktoren gehören:
- Viele ausstehende Forderungen und hohe Lagerbestände
- Lange Zahlungsziele
- Ein fortlaufend hoher Liquiditätsbedarf, um weiteres Wachstum anzukurbeln
- Hohe Anschaffungskosten für Materialien und Maschinen
Factoring hat sich als alternatives Finanzinstrument für Unternehmen etabliert. Laut dem Deutschen Factoring Verband beträgt die Marktdurchdringung von Factoring hierzulande 10%. Im europäischen Vergleich ist die Durchdringung allerdings gering: Belgien (22,5%), Spanien (19,4%), Portugal (17,6%) und Frankreich (16%) weisen höhere Werte auf.
Factoring-Arten
Factoring ist flexibel und kann auf die individuellen Bedürfnisse, Ziele und Geschäftsanforderungen eines Unternehmens zugeschnitten werden. Firmen stehen verschiedene Arten von Factoring zur Verfügung:
Full-Service-Factoring/Regress-Factoring
Alles in einer Lösung: Beim Full-Service-Factoring übergeben Unternehmen alle Factoring-Prozesse an den Faktor. Sie verkaufen die Forderung, lagern Mahn- und Inkassowesen aus und sichern sich zu 100% vor Zahlungsausfällen ab (Del-Credere-Klausel). Diese Art des Factorings gilt bei Factoring-Unternehmen und Finanzdienstleistern als Standard.
Unternehmen erhalten nicht nur Liquidität, sondern entlasten auch ihr Rechnungswesen und schützen sich vor Zahlungsschwierigkeiten oder Ausfällen. Full-Service-Factoring wird auch Regress-Factoring genannt.
Regressloses Factoring
Beim regressfreien Factoring erbringt ein Faktor dieselben Leistungen wie beim Full-Service-Factoring — mit einer Ausnahme. Der Faktor trägt nicht das Ausfallrisiko. Dies verbleibt beim Unternehmen.
Dies eignet sich besonders für Unternehmen, die über einen etablierten Kundenstamm und langfristige Beziehungen zu ihren Kunden verfügen. In der Regel sind diese Unternehmen in einer guten Position, um die Zahlungsfähigkeit ihrer Kunden einzuschätzen.
Offenes Factoring
Offenes Factoring zeichnet sich durch Transparenz aus — insbesondere für die Schuldner des Unternehmens. Sie werden angewiesen, die ausstehenden Forderungen nicht an das Unternehmen, sondern an den Factor zu übertragen. In der Vergangenheit zögerten Unternehmen immer noch, offenes Factoring zu nutzen. Das hat sich jetzt geändert. Factoring hat sich als alternatives Finanzierungsmodell etabliert.
Stilles Factoring
Wenn Unternehmen jedoch Bedenken hinsichtlich ihrer Kundenbeziehungen haben, können sie auch stilles oder nicht meldepflichtiges Factoring einsetzen. In diesem Fall werden die Schuldner nicht darüber informiert, dass das Unternehmen seine Forderungen an einen Factor abgetreten hat. Auf der Rechnung ist das „reguläre“ Unternehmen als Zahlungsempfänger ausgewiesen. Das „reguläre“ Unternehmen erhält das Geld ebenfalls, überweist es jedoch direkt an das Factoring-Unternehmen.
Fälligkeitsfactoring
Beim Fälligkeitsfactoring übernimmt das Factoring-Unternehmen den Forderungseinzug erst am Fälligkeitstag. Die Forderung wird durch den Factor nicht vorfinanziert, dieser übernimmt lediglich das Risiko der Nichtzahlung.
Selektives Factoring
Ein Unternehmen möchte nur einen Teil seiner ausstehenden Forderungen verkaufen. Dann ist selektives Factoring der richtige Weg (auch Cut-Out-Factoring). Das Unternehmen entscheidet, welche Rechnungen beispielsweise von einer bestimmten Kundengruppe (Großkunden mit hohen ausstehenden Beträgen oder einer negativen Zahlungshistorie) per Factoring refinanziert werden sollen.
Inhouse-Factoring
Im Vergleich zum umfassenden Full-Service-Factoring behält das Unternehmen beim firmeninternen Factoring die Kontrolle über das Forderungsmanagement, einschließlich der Mahn- und Inkassoprozesse. In diesem Szenario beschränkt sich die Rolle des Faktors in erster Linie auf die Finanzierung der Forderungen und die Verwaltung des Ausfallschutzes.
Vor- und Nachteile von Factoring
Die Vorteile
- Verbesserter Cashflow: Factoring bietet Unternehmen eine direkte Finanzspritze.
- In Wachstum investieren: Dank verbesserter Liquidität kann das Unternehmen in weiteres Wachstum investieren.
- Zugang zu Working Capital: Factoring verschafft einen Zugang zu Working Capital, ohne dass Schulden aufgenommen oder Eigenkapital aufgegeben werden muss.
- Ausfallschutz: Je nach Factoring-Art übernimmt der Factor das Zahlungsrisiko, was die Bonität und Kreditwürdigkeit des Unternehmens verbessert.
- Einfaches Forderungsmanagement: Die Factoring-Gesellschaft kann die Kommunikation mit Kund:innen, inklusive des Mahnwesens und die Verwaltung der Außenstände übernehmen. Das spart Ressourcen beim Unternehmen.
- Schnell und bequem: Factoring ist in der Regel schneller und einfacher für ein Unternehmen als der Zugang zu einem herkömmlichen Finanzinstrument, etwa ein Bankkredit.
Die Nachteile
- Kosten: Factoring kann deutlich teurer als andere Finanzierungsmethoden sein, da der Factor für seine Dienstleistung eine Gebühr veranschlagt.
- Eingeschränkte Kontrolle: Sobald die Forderungen verkauft sind, gibt das Unternehmen einen Teil seiner Kontrolle über Inkasso und Kundenbeziehung an den Factor ab.
- Nicht für alle geeignet: Factoring eignet sich nicht für jede Branche. Für Handel, Dienstleistungen und das produzierende Gewerbe ist es jedoch prädestiniert.
Fazit: Factoring eignet sich zur Finanzierung
Finanzierungen, die unabhängig von Banken sind und bei der Unternehmen schnell Kapital erhalten, werden immer wichtiger. Factoring ist eine solche alternative Finanzierungsform für Unternehmen.
Wer ausschließlich im Rahmen des Factoring arbeitet, hat praktisch keine offenen Forderungen mehr. Unternehmen schützen ihre Liquidität und ihr Eigenkapital. Sie steigern dadurch wiederum ihre Chancen auf einen Bankkredit.
Als alternatives Finanzinstrument lässt sich Factoring gut an die Bedürfnisse eines Unternehmens anpassen. Factoring-Unternehmen bieten verschiedene Modelle an. Durch den unterschiedlichen Grad an Serviceleistungen, die mit jeder Factoring-Art einhergehen, lässt es sich in das Debitorenmanagement integrieren.