Revenue Based Financing etabliert sich auch in Deutschland als Finanzierungsalternative, vor allem für Startups. Was musst du bei der umsatzbasierten Finanzierung beachten?
Eine nicht-verwässernde Art der Finanzierung, die auf den Umsätzen eines Unternehmens basiert? Genau das bietet Revenue Based Financing (RBF), auch umsatzbasierte oder umsatzorientierte Finanzierung genannt. Vor allem Startups mit wiederkehrenden Einnahmen nutzen diese Art der Wachstumsfinanzierung.
Anders als bei den festen Zinssätzen eines traditionellen Bankkredits, erfolgt die Rückzahlung bei Revenue Based Financing basierend auf einem Prozentsatz der zukünftigen Umsätze. Das ist insbesondere für schnell wachsende Unternehmen interessant, die ein großes Potenzial für hohe künftige Umsätze haben.
Revenue Based Financing ist bislang vor allem in den USA und Großbritannien beliebt. Aber auch in Deutschland und Europa nutzen immer mehr Startups aus dem Software- und SaaS-Bereich dieses alternative Finanzierungsinstrument. In 2023 soll der weltweite Markt für umsatzbasierte Finanzierungen auf $3,38 Milliarden anwachsen.
Dieser Artikel befasst sich mit der umsatzbasierten Finanzierung für Startups und beleuchtet deren Funktionsweise und Anwendung.
Was ist Revenue Based Financing?
Revenue Based Financing ist eine alternative Finanzierungsform, die auf den wiederkehrenden Umsätzen eines Unternehmens basiert. Sie wird deshalb auch umsatzbasierte Finanzierung genannt. Startups und junge Wachstumsunternehmen (Scale-ups) sichern sich dabei Fremdkapital von Investor:innen. Die Geschäftsmodelle dieser Unternehmen orientieren sich meist an SaaS oder Subskriptionsmodellen.
Da die Unternehmen keine Anteile im Gegenzug für Kapital abgeben, führt RBF nicht zu einer Verwässerung der Anteile. Diese Finanzierungsart ist deshalb meist eine Ergänzung oder Alternative zur Eigenkapitalfinanzierung.
Wie funktioniert Revenue Based Financing?
Beim Revenue Based Financing erhalten Investor:innen einen vorab festgelegten monatlichen Prozentsatz am Umsatz des Unternehmens. Die Rückzahlung ist an die künftigen Umsätze gekoppelt. Die Höhe der Rückzahlungssumme wird üblicherweise gedeckelt. Sie bewegt sich zwischen dem 1,5- bis 3-fachen des Investments.
Keine Zinsen oder Tilgung, sondern Umsatzbeteiligung
Da die Rückzahlung an die Umsätze gebunden ist, ist der Rückzahlungszeitraum flexibel. Er hängt davon ab, wie gut das Unternehmen performt. Sprich: wie hoch die monatlichen Umsätze und das Wachstum sind.
Je schneller die Umsätze steigen, desto schneller ist die vereinbarte Rückzahlungssumme erreicht. Das ist allerdings nicht immer von Vorteil.
Anders als bei einem klassischen Unternehmenskredit oder Venture Debt, verfolgen Investor:innen und Unternehmen beim RBF deshalb das gleiche Interesse: ein stetiges Umsatzwachstum. Beide profitieren davon und leiden gleichzeitig darunter, wenn das Wachstum zurückgeht.
Der Rückzahlungszeitraum ist jedoch nicht unbegrenzt. Üblicherweise wird zwischen kurzfristigem (<12 Monate) und langfristigem (bis zu 60 Monate) Revenue Based Financing unterschieden.
Das lässt sich an einem einfachen Rechenbeispiel verdeutlichen.
Beispiel für Revenue Based Financing
Die Bedingungen:
- Ein Unternehmen erzielt zu Beginn der Finanzierung monatliche Umsätze (MRR) in Höhe von €500.000.
- Es möchte nun von einem RBF-Finanzierer €500.000 Fremdkapital aufnehmen.
- Das Unternehmen sichert dem RBF-Finanzierer eine monatliche Umsatzbeteiligung in Höhe von 10% zu.
- Die Rückzahlungssumme ist auf maximal €1.000.000 gedeckelt.
Durch das stetige Wachstum des Umsatzes hat das Unternehmen seine Finanzierung nach 12 Monaten wieder zurückgezahlt. Das Umsatzwachstum ist das einzige Kriterium, das die Spanne der Rückzahlung bestimmt. Warum?
Vorab ist Analyse der KPIs entscheidend
Beim RBF gibt es keine klassischen Tilgungs- oder Zinsraten. Die Rückzahlung orientiert sich nur am Umsatzwachstum.
RBF-Investor:innen müssen Startups deshalb genau analysieren und einen datengetriebenen Ansatz zu verfolgen. Ihre Renditeerwartung ist an die künftigen Umsätze gekoppelt. Sie behandeln Umsätze und den Kundenstamm als Assets, die es zu bewerten gilt.
Für die Bewertung werden verschiedene Metriken geprüft. Sie basieren auf Umsätzen, Kundenstamm, Cashflow und Bankdaten. Diese KPIs bestimmen die Investitionsentscheidung, die Höhe der Finanzierungssumme sowie den prozentualen Anteil am Umsatz.
Zu diesen Metriken gehören etwa:
- Monthly and annual revenue growth (MRR/ARR)
- Customer Churn Rate
- Kundenkonzentration (Customer Concentration)
- Netto-Dollar-Retention (NDR)
Anhand dieser Metriken lassen sich SaaS- und Softwareunternehmen mit wiederkehrenden Umsätzen besser einschätzen und Investor:innen können Vorhersagen zur künftigen Umsatzentwicklung treffen.
Unternehmen, die Revenue Based Financing in Erwägung ziehen, sollten die entsprechenden Daten daher parat haben.
Für wen eignet sich Revenue Based Financing?
Eine umsatzbasierte Finanzierung eignet sich einerseits vor allem für Unternehmen, die bereits belastbare und wachsende Umsätze vorweisen können. Idealerweise handelt es sich um wiederkehrende Einnahmen, da diese die Planbarkeit für Investor:innen erleichtern.
RBF ist aber auch ideal für Unternehmen mit hohen Bruttomargen. Damit können sie die anfallenden monatlichen Kosten der Umsatzbeteiligung besser ausgleichen.
Sowohl für konstante Umsätze als auch hohe Bruttomargen ist ein funktionierendes und am Markt erprobtes Produkt wichtig. Deshalb ist der Product-Market-Fit eine weitere Voraussetzung.
Product-Market-Fit, wiederkehrende Umsätze und hohe Margen sind wichtig
Bevor Startups diese Bedingungen nicht erfüllt haben, ist eine Finanzierung mit Fremdkapital für sie ohnehin selten sinnvoll.
Diese Zuschreibungen treffen vor allem auf Softwareunternehmen zu, deren Geschäftsmodelle auf SaaS oder Subskription basieren und die bereits über die Frühphase hinaus sind. Aber auch E-Commerce-Unternehmen kommen hier in Frage.
Startups und junge Wachstumsunternehmen nutzen RBF
Aufgrund dieser Kriterien hat sich RBF in den vergangenen Jahren vor allem für zwei Unternehmensarten etabliert: Startups und junge Wachstumsunternehmen aus dem Tech-Bereich.
Das ist jedoch nicht der einzige Grund. Tech-Startups war der Weg zu Fremdkapitalfinanzierungen lange Zeit verschlossen. Während Banken auf “harte” Sicherheiten wie Maschinen oder Immobilien setzen und Profitabilität setzen, können Software- oder SaaS-Unternehmen diese Assets nicht bieten.
Sie fokussieren sich auf "weiche" Assets wie ihre Kund:innen und Umsätze. Diese Art von Geschäftsmodellen können Banken in der Regel jedoch nicht bewerten, da ihnen dazu die notwendige (Daten-)Expertise fehlt. Zudem fokussieren sich Wachstumsunternehmen in ihrer Anfangsphase nicht auf Profitabilität.
Die Vergabekriterien von Banken sehen diese Art von Assets indes nicht als ausreichend an.
Umsatzfinanzierungen sind Alternative zu klassischem Fremdkapital
Für Startups bedeutete das: Der einzige Weg, um an Kapital zu kommen, war der Verkauf von Anteilen im Gegenzug für Eigenkapital – mit allen damit verbundenen negativen Konsequenzen:
- Bei einem Exit oder IPO müssen Teile des Erlöses an die Investor:innen abgegeben werden.
- Durch die Verwässerung erhalten neue Gesellschafter:innen Stimm- und Kontrollrechte über das Unternehmen. Die Gründer:innen verlieren Einfluss auf Entscheidungen und die Ausrichtung ihres Startups.
- Eine VC-Finanzierung bindet Ressourcen des Unternehmens (Due Diligence) und die Zeit der Gründenden (Verhandlungen). Sie verursacht Rechts- und Beratungskosten und bis Geld fließt, können Monate vergehen.
Revenue Based Financing eröffnet Startups und Scaleups deshalb eine Alternative zur Fremdkapitalfinanzierung – ohne dabei ihre Anteile zu verwässern und sich an neue Gesellschafter:innen zu binden.
Wie kann Revenue Based Financing ausgestaltet sein?
Zeitraum und Verwendungszweck: Diese beiden Kriterien bestimmen die Ausgestaltung eines RBF-Deals. Darauf basierend kann zwischen kurzfristigem und langfristigem Revenue Based Financing unterschieden werden.
Kurzfristiges Revenue Based Financing
- Ein Zeitraum von bis zu 12 Monaten.
- Finanzierungsvolumen von bis zu €100.000 oder 2-4 Monatsumsätzen.
- Finanzierungen saisonaler Ereignisse, Events, Hardware oder Büroausstattung.
- Kapitalgeber:innen, die eine vollständig automatisierte Abwicklung aller Prozesse anbieten und daher auch kleinere Tickets bereitstellen können.
Langfristiges Revenue Based Financing
- Ein Zeitraum von bis zu 60 Monaten.
- Finanzierungsvolumen von einer bis mehrerer Millionen Euro.
- Finanzierungen aller Ausgaben eines Unternehmens oder großer Investitionen wie M&A.
- Kapitalgeber:innen bieten eine längerfristige Partnerschaft, inklusive Beratung, Netzwerk und Anschlussfinanzierung.
Was sind die Vor- und Nachteile von Revenue Based Financing?
Mit RBF können sich Startups eine neue Kapitalquelle erschließen, die nicht auf Eigenkapital und damit einer Verwässerung der Anteile beruht.
Vorteile von RBF
- Bei langfristigem RBF: Eine Verlängerung der Cash Runway, um die nächste Finanzierungsrunde zu einem besseren Zeitpunkt anzugehen.
- Steigerung der Liquidität und damit eine Verbesserung der Cash Balance.
- Neben dem eigenen Umsatz sind keine weiteren Sicherheiten, Warrants oder persönliche Garantien notwendig.
- Dadurch, dass RBF nicht-verwässernd ist, behalten die Gründende die Kontrolle über ihr Unternehmen.
- Eine schnelle Finanzierungslösung, die innerhalb weniger Tage verfügbar sein kann.
- Eine flexible Finanzierungslösung, da die Höhe der Rückzahlung sich an der eigenen Performance bemisst. Entwickelt sich das Unternehmen nicht wie erwartet, passt sich auch die Höhe der monatlichen Rückzahlungen an.
- Niedrigere Kapitalkosten als bei Venture Capital oder Venture Debt.
Nachteile von RBF
Eine umsatzbasierte Finanzierung hat auch Nachteile. Denn nicht alle Unternehmen und Geschäftsmodelle kommen dafür in Frage. Dazu gehören:
- Unternehmen müssen konstante und wiederkehrende Umsätze sowie eine hohe Bruttomarge vorweisen, damit sie für RBF-Investor:innen interessant sind.
- Investor:innen müssen ein prognostizierbares Wachstum erkennen, da sie nur in die Unternehmen investieren, bei denen sie von Wachstum ausgehen – andernfalls macht ein Investment für sie keinen Sinn.
- Je schneller ein Unternehmen wächst, desto eher erreicht es die Rückzahlungssumme – dann erhöhen sich die Kosten aufgrund einer steigenden Internal Rate of Return (auch interner Zinsfuß genannt).
- Beim RBF erhalten Unternehmen die Finanzierung auf einen Schlag. Sie können in der Regel aber ihr gesamtes Funding nicht direkt umsetzen, weshalb es auf der Bank verbleibt. Diese Überfinanzierung treibt die Kapitalkosten und wirkt sich negativ auf die Kapitaleffizienz aus.
Recurring Revenue Financing und Revenue Based Financing
Eine weitere Ausgestaltung von RBF ist Recurring Revenue Financing (RRF). Es eignet sich ebenfalls für Startups und junge Wachstumsunternehmen.
Beim RRF erhalten Unternehmen Fremdkapital. Die Finanzierungssumme und die Kosten orientieren sich an der Höhe der wiederkehrenden Umsätze. Die Anwendungsfälle von RRF und RBF sind deckungsgleich, einzig die Rückzahlungsmodalitäten unterscheiden sich.
RRF heißt vorab festgelegte Kosten
Der Unterschied: Die Kosten beim RRF werden zu Beginn festgelegt und bleiben während des gesamten Zeitraums gleich. Sie sind nicht an das Umsatzwachstum gekoppelt.
So wird Kapital üblicherweise nur bis zu einem gewissen Finanzierungslimit vergeben. Dieses Limit ist abhängig von den jährlich wiederkehrenden Umsätzen.
Fazit: RBF ist flexibles Finanzinstrument für Startups
Für Startups mit konstanten und wiederkehrenden Umsätzen ist Revenue Based Financing eine gute Ergänzung zu einem Kredit, Venture Capital, Venture Lending oder Venture Debt.
Das Unternehmen misst sich an der eigenen Leistung und beteiligt Investor:innen an zukünftigen Umsätzen – jedoch ohne die Kontrolle über das eigene Unternehmen abzugeben.
Beide Seiten verfolgen das gleiche Ziel: ein stetiges Umsatzwachstum. Das hilft den Investor:innen, da sie ihr Investment mit entsprechender Rendite schneller zurückbekommen und dem Unternehmen, das seinen Wert steigert.
Diese Flexibilität bedeutet für junge Unternehmen, dass sich die Kosten an ihr Wachstum anpassen. Sollte sich das Umsatzwachstum nicht wie geplant entwickeln, werden die Kosten nicht zur dauerhaften Belastung.